Ärzte berichten

Lesen Sie hier, welche Erfahrungen Ärzte aus Deutschland und den Niederlanden mit der Photodynamischen Therapie gemacht haben. 

 

Interview mit Dr. Baris Karakullukcu, Amsterdam

Dr. Baris Karakullukcu ist HNO-Arzt mit Spezialisierung auf Kopf- und Nacken-Onkologie und -Chirugie. Er arbeitet am Netherlands Cancer Institute/ Antoni van Leeuwenhoek Hospital, Amsterdam. Seit geraumer Zeit vertraut er auf die Photodynamische Therapie und schätzt sie, wie viele seiner Patienten, als komplementäre Alternative zu bestehenden Behandlungsformen.
 

Dr. Karakullukcu, seit wann arbeiten Sie am NKI?

Seit vier Jahren.
 

Kannten Sie PDT schon, bevor Sie ans NKI kamen?

Ja, ich hatte mit PDT schon an der Universität Miami, Florida, gearbeitet.
 

Wann haben Sie das erste Mal von PDT gehört, und was war Ihre erste Reaktion?

Ich dachte mir, was für eine saubere Methode: Tumoren entfernen – ohne sie wegzuschneiden. Eine sehr elegante Methode.
 

Welche Krebsarten behandeln Sie mit PDT?

Hals- und Mundkrebs. Ich bin Kopf- und Nacken-Chirurg, deshalb kann ich auch nur von Kopf und Nacken sprechen. Aber wir haben in Amsterdam ein wirklich sehr breites Spektrum für den PDT-Einsatz. Wir behandeln Tumoren im Früh-Stadium sowie Fehlbildungen und Dysplasien, wir kümmern uns um Entfernungen und Ablationen, und wir arbeiten palliativ und behandeln Tumoren, die austherapiert sind.
 

Wie finden die Patienten zu Ihnen?

Die Niederlande sind klein, so dass wir unter den Kollegen mehr oder weniger gut bekannt sind. Normalerweise sendet der Hausarzt die Patienten zu einem HNO-Arzt. Wenn dieser Krebs diagnostiziert, werden die Patienten zu einem der acht niederländischen Zentren geschickt, die auf Hals- und Nackenkrebs spezialisiert sind. Wir kennen uns gut, und wenn ein Kollege denkt, dass seinen Patienten PDT helfen könnte, werden diese Patienten an uns überwiesen.
 

Wenn Patienten das erste Mal zu Ihnen kommen, haben Sie dann schon von PDT gehört?

In der Regel wird ihnen PDT vom überweisenden Kollegen erklärt. So haben sie schon ein grobes Verständnis von PDT. Außerdem bieten wir Informationen über unsere Website an. Viele Patienten nutzen die Website und lesen über PDT. Somit kennen die Patienten PDT meist schon, wenn sie zu uns kommen.

Es gibt aber auch Patienten, die kommen nicht von einem der Krebszentren, sondern vom HNO-Arzt für eine Tumoren-Behandlung, die nicht unbedingt eine PDT-Behandlung sein muss. Wenn wir uns dann für PDT entscheiden, wissen diese Patienten meistens nichts über PDT. In der Öffentlichkeit ist einfach nicht so viel darüber bekannt.

Dann sind wir am Zug. Wir erklären, dass die Patienten mit Licht behandelt werden. Wir nennen diese Therapie auch PDT, aber unsere Patient sagen: „Ich hatte eine Laser-Therapie" oder "Ich hatte eine Licht-Therapie“ oder ähnliches.
 

Und wenn es dann ernst wird, was sagen Ihre Patienten?

Es gibt zwei Arten von Patienten. Die einen stehen PDT sehr positiv gegenüber. Die anderen wollen eher nicht mit der PDT behandelt werden. Der Grund liegt in der Lichtempfindlichkeit nach der Behandlung, die zwei bis drei Wochen andauern kann.

Ältere Patienten, die in Rente sind, können ja zu Hause bleiben, sie müssen auch unbedingt vor die Tür gehen und haben daher kein Problem damit. Andere Patienten wollen keine PDT, weil sie einen Urlaub am Strand geplant haben. Aber die meisten unserer Patienten vertrauen uns und darauf, dass PDT wirkt.
 

Wie schaffen Sie es, Ihre Patienten – trotz höherer Lichtempfindlichkeit – von der PDT zu überzeugen?

Erstmal versuchen wir, die Menschen nicht zu überzeugen - wir bieten PDT an. Wir thematisieren den Nutzen, stellen die vielen Vorteile einigen Nachteilen entgegen. Dann beleuchten wir die Ängste. Wir verfügen zudem über drei Informationsblätter: für Hautkrebs, Mundhöhlen-Krebs und Bindegewebe-Krebs.

Wir haben zwei Krankenschwestern, die auf PDT spezialisiert sind; die setzen sich mit den Patienten für eine Stunde zusammen und erklären ihnen den Ablauf der PDT-Behandlung und welche Nebenwirkungen es gibt. Auf diese Weise wissen unsere Patienten genau, was auf sie zukommt. Ängstliche Patienten denken, sie müssten drei Wochen im Dunkeln sitzen, was einfach nicht stimmt. Dennoch versuchen wir nicht, die Patienten zu überreden. Wir informieren sorgfältig und empfehlen PDT.
 

Heutzutage informieren sich die Patienten sehr genau über das Internet. Ist das in Ihrem Sinne?

Absolut, denn die Informationen, die sie dort über PDT finden, sind durchweg positiv. Weil PDT wirkt.
 

Was denken Sie, was sind die größten Vorteile von PDT?

Ich möchte mal zwei Aspekte hervorheben: Für kleine, orale Tumoren besteht der Hauptvorteil darin, dass kein Gewebe geopfert werden muss. Die Heilung verläuft sehr gut, ohne oder mit nur minimaler Narbenbildung. Das ist der größte Vorteil - kein Gewebeverlust und volle Funktionalität. Sprechen und Essen – kein Problem. Und bei Tumoren des Bindegewebes, zum Beispiel an der Zungenwurzel, gibt es zu PDT keine Alternative.
 

Welche Nebenwirkungen können auftauchen?

Ein positiver Nebeneffekt ist: Wir arbeiten in der Regel mit lokaler Betäubung, mit PDT brauchen wir keine Anästhesie. Ohne Narkose auszukommen ist ein großer Vorteil, gerade für kranke oder alte Patienten. Ein negativer Nebeneffekt ist, dass eine höhere Lichtempfindlichkeit da ist, was die Lebensqualität temporär etwas einschränkt. Ein kleiner Prozentsatz von Patienten behält eine kleine Narbe am Punkt der Injektion zurück. Gerade nach der Behandlung kann diese Stelle sehr schmerzhaft sein. Der Heilungsprozess dauert allgemein bis zu drei Wochen.
 

Wir lange müssen die Patienten in der Klinik bleiben?

Für Tumoren im frühen Stadium ist es eine Ein-Tages-Prozedur. Die Patienten kommen am Morgen und erhalten PDT, dann dürfen sie nach Hause gehen.
 

Wie viele Patienten behandeln Sie pro Jahr?

Circa 50 bis 60.
 

Was sagen die Patienten nach der Behandlung?

Auch da gibt es wieder zwei Gruppen. Einige denken, wie furchtbar das alles war. Die Mehrheit aber findet PDT richtig gut, weil sie wissen, dass sie kein Gewebe oder gar Körperteile verloren haben. Sie wissen, dass es keine oder zu vernachlässigende Narben gibt, vor allem aber haben sie keine funktionalen Probleme. Man sieht dabei, dass Schmerz höchst subjektiv ist: Einige Patienten empfinden Schmerzen und können Lichtempfindlichkeit nur schwer ertragen. Aber die Mehrheit kommt wirklich gut damit klar.
 

Viele Menschen entwickeln beim Thema Krebstherapien Horror-Vorstellungen. Sind Ihre Patienten überrascht, wenn diese erfahren, wie „einfach“ PDT funktioniert?

Ja, sie sind angenehm überrascht. Dennoch ist PDT nicht immer die einzige Alternative. Manchmal ist PDT für eine bestimmte Art von Krebs nicht die richtige Therapie, dann müssten die Patienten zum Beispiel der Chemotherapie vertrauen.
 

Welche Zukunft hat die PDT?

Ich denke, dass hängt vom Interesse der behandelnden Ärzte in den Kliniken ab. Leider ist das Interesse dort begrenzt. Ein Chirurg operiert nun mal gerne, und ein Radiologe schwört auf Bestrahlungen. PDT ist irgendwo zwischen diesen Bereichen angesiedelt und passt nirgendwo richtig hinein. Aber: PDT ist noch eine junge Disziplin. Ich erwarte, dass PDT noch bekannter und populärer wird. Das wird weniger über die Krankenhäuser passieren, sondern mehr über die Behandlungszentren, wie das NKI.
 

Dr. Karakullukcu, wir danken sehr für das Gespräch.

Interview mit Privatdozent Dr. Christian S. Betz, München

Priv.-Doz. Dr. med. Christian S. Betz ist Oberarzt und Lehrbeauftragter an der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Ludwig-Maximilians-Universität München, Campus Großhadern Mit der Initiative „Licht gegen Krebs“ sprach er über die Perspektiven der Photodynamischen Therapie.
 

Seit wann behandeln Sie mit PDT?

Als ich im Jahr 2000 am Klinikum Großhadern begonnen habe, haben schon meine Vorgänger die Photodynamische Therapie vorangetrieben, und ich habe dann mitgemacht und diese Thematik dann auch übernommen.
 

Was war Ihr erster Eindruck von der PDT?

Der erste Eindruck ist, dass die PDT neben den klassischen Verfahren zur Tumortherapie, sprich Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie, eben noch eine vierte Möglichkeit darstellt, mit der man bei bestimmten Indikationen, also bei bestimmten Erkrankungen, ganz hervorragende Ergebnisse erzielen kann.
 

Bei welchen Krebserkrankungen setzen Sie die PDT ein?

Die Zulassung für die PDT im Kopf-Hals-Bereich gibt es eigentlich nur in der palliativen Therapie, also in der Therapie von bereits anderweitig austherapierten Patienten. Das ist das Hauptindikationsgebiet. Es gibt auch noch andere Indikationsgebiete, beispielsweise breitflächige Tumorvorstufen, die manchmal im Mund-, Rachen- und Kehlkopfbereich auftreten können, dann bestimmte Fehlbildungen von lymphatischen Gefäßsystemen oder Blutgefäßsystemen, die manchmal sehr große Raumforderungen bilden können. Das sind weitere interessante Indikationsgebiete.
 

Sie haben ja auch schon in London gearbeitet. Spielte die PDT dabei eine Rolle?

Ich war ein ganzes Jahr in London und habe mitunter dort mit Colin Hopper gearbeitet, der ein Pionier im Bereich der PDT im Kopf-Hals-Bereich ist und sicher über 1.000 PDT durchgeführt hat. In London habe ich ca. 80 Photodynamische Therapien über das Jahr verteilt gemacht. Das Jahr war ein so genanntes Fellowship, wobei ich teilweise auch klinisch tätig war und auch andere Forschung betrieben habe, aber der Schwerpunkt lag sicher auf der PDT.
 

Wenn Ihre Patienten zu Ihnen kommen – habe diese dann schon im Vorfeld von der PDT gehört?

Manche Patienten werden speziell zur PDT überwiesen, anderen Patienten rate ich die PDT an, nach Rücksprache oder Besprechung des Falles in unserem Tumor-Board. Alle unsere Patienten mit Tumoren werden bei uns in einem interdisziplinären Konsortium besprochen, und wenn die Photodynamische Therapie als beste Therapieoption oder als alternative Therapieoption geeignet erscheint, mache ich einen Termin mit dem Patienten aus und lege ihm dann die Vor- und Nachteile dar. Ich würde sagen, die Hälfte der Patienten, die zu mir kommen, kommen mit geringfügigen Informationen, der anderen Hälfte ist das neu. Aber die erkundigen sich, wie das heutzutage üblich ist, viel übers Internet.
 

Kommt Ihnen das entgegen, dass Patienten sich auch eigenständig informieren?

Es hängt natürlich von den Quellen ab, die die Patienten aufsuchen. Es gibt gute Quellen und schlechte Quellen. Ich halte meistens relativ wenig von Patientenforen, weil ich den Eindruck habe, dass diese Foren hauptsächlich von Patienten befüllt werden, die entweder Probleme mit ihrer Behandlung hatten oder sonst wenig zu tun haben. Patienten, bei denen bei der Behandlung und der Diagnose alles normal oder sehr gut läuft, schreiben in solchen Foren nichts auf. Aber informative Seiten sind sicher gut.
 

Wie reagieren die Patienten, die zum ersten Mal von der Möglichkeit der PDT erfahren?

Die erste Reaktion ist, dass Patienten meiner Ansicht nach nicht genau verstehen, wie effektiv dieses Verfahren ist. Gerade relativ im Vergleich zu einer Tumorchirurgie, wo man wirklich große Gewebemengen abschneiden kann, klingt dieses Verfahren doch sehr zurückhaltend. Nichtsdestotrotz kann man ja gerade mit potenten Photosensibilisatoren doch auch extrem viel erreichen, und das muss man dem Patienten erstmal vermitteln, da es doch auch eine sehr intensive Therapie ist, wenn man sie richtig anwendet.
 

Wo sehen Sie die größten Vorteile der PDT?

Es gibt viele Vorteile. Ein großer Vorteil ist sicher, dass die Wundheilung nach einer PDT im Regelfall besser ist als nach einer Chirurgie. Bei einer Chirurgie wird letztendlich der Tumor oder das erkrankte Gewebe weg geschnitten und kann als solches auch nicht wieder ersetzt werden. Bei der PDT liegt der Großteil des Effektes auf den Zellen und dem Gefäßsystem, nicht aber auf der Grundstruktur des Gewebes, also beispielsweise den Fasern.

So sieht es nach einer PDT meistens folgendermaßen aus: Zunächst geht das zelluläre Gewebe unter, und das wird dann repopuliert, also wiederbesiedelt mit neuen Zellen, die im Idealfall gutartig sind, so dass keine großen Defekte auftreten und demzufolge auch keine so großen Funktionsverluste.

Der zweite Vorteil: Auch Nerven und größere Blutgefäße überstehen die PDT normalerweise sehr gut. Das heißt, auch wenn man in einem Gebiet eine PDT macht, wo zum Beispiel ein großer Nerv verläuft, dann hat dieser Nerv danach nicht eine solche Funktionseinbuße, wie wenn man ihn bei der Chirurgie durchtrennt.

Der dritte Vorteil, und das ist jetzt im Vergleich zur Strahlentherapie zu sehen, ist, dass man die PDT wiederholt anwenden kann, während man die Strahlentherapie in der vollen Dosis eigentlich nur einmal im gleichen Gebiet anwenden kann.
 

Reichert sich die lichtsensitive Substanz nur im Tumorgewebe an?

Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Prinzipiell reichert sich in stoffwechselaktiven Geweben wie Tumorgeweben, die normalerweise zusätzlich auch noch über eine gewisse Durchlässigkeit des Gefäßsystems verfügen, mehr von dem Photosensibilisator an als im normalen Gewebe. Aber wie das Verhältnis genau ist, darüber streiten sich die Experten. Letztendlich kommt es meiner Ansicht nach gar nicht so sehr darauf an. Meiner Ansicht nach ist es viel wichtiger, wie das Licht letztendlich dosiert wird und wie das Licht an den Ort des Geschehens gebracht wird. Damit kann man relativ gut den Umfang des angerichteten Schadens oder der Therapie begrenzen.
 

Wie lange bleiben Ihre Patienten im Krankenhaus?

Das hängt davon ab, was behandelt wurde. Ich habe in England auch relativ viele Basaliome der Gesichtshaut behandelt, da sind die Patienten überhaupt nicht stationär, das ist eine rein ambulante Geschichte. Wenn man jetzt palliative Tumortherapie macht, sprich ein großes anderweitig nicht therapierbares Rezidiv, also ein Wiederauftreten des Tumors behandelt, dann kann es schon sein, dass die Patienten 7-10 Tage nach der Therapie auf Station sind.
 

Neben den Vorteilen gibt es sicherlich auch Nachteile. Wo sehen Sie diese?

Der größte Nachteil bei der PDT liegt meiner Ansicht nach sicher darin, dass man bei allen systemisch applizierten Photosensibilisatoren eine Lichtsensibilität der Augen, aber auch der gesamten äußeren Haut hat, die abhängig von der verwendeten Substanz unterschiedlich lang vorhält und man damit bestimmten Lichtschutz verbinden muss. Das ist sicher der größte Nachteil. Zweiter großer Nachteil sind meiner Ansicht nach die hohen Kosten für die Substanzen. Ich denke, wir könnten deutlich besser agieren, wenn Kosten für die vor allem systemisch applizierten Substanzen geringer wären. Dann könnte man auch besser vor der Krankenkasse argumentieren, obwohl es grade in der palliative Therapie vergleichende Studien gibt, die besagen, dass eine palliative Chemotherapie oder eine palliative Strahlentherapie durchaus teurer ist als eine Photodynamische Therapie.
 

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Wir besprechen das mit den Krankenkassen, und vor allem in palliativen Situationen hatte ich noch nie Probleme. Auch aufgrund dessen, dass es eine zugelassene Substanz für dieses Indikationsgebiet gibt, können diese Patienten problemlos behandelt werden. Bisher ist es noch nie vorgekommen, dass einem Patienten die Kostenübernahme verweigert wurde. Wir klären das aber auch im Vorfeld ab, so dass diese Situation nicht auftreten würde.
 

Schreckt die Lichtempfindlichkeit zunächst viele Patienten ab?

Absolut. Das hört sich am Anfang sehr erschreckend an. Man kann das Ganze relativieren, indem man dem Patienten aufzeigt, dass man sich schwächeren Lichtquellen (wie Computer oder Fernseher) problemlos exponieren kann während den Tagen, manchmal auch Wochen, in denen die Lichtsensibilität besonders stark ist.
 

Die PDT ist ja in der breiten Öffentlichkeit noch nicht so stark bekannt. Wie ist denn das bei Ihren Kollegen, bei anderen Medizinern?

Ich glaube, diese Therapieform ist noch nicht so ganz in der breiten Bevölkerung bzw. der Ärzteschaft angekommen. Als mögliche Ursachen kann ich zwei Punkte anführen, die wichtig sind. Die PDT wurde bereits Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt und war am Anfang relativ en vogue. Dann kam es aber zur Entwicklung der Chemotherapie, die die PDT relativ schnell verdrängt hat. Die zweite Sache ist die, dass die PDT bedauerlicherweise in kein Fachgebiet optimal hinein passt. Der HNO-Chirurg schneidet gerne, der Strahlentherapeut bestrahlt, der Onkologe verabreicht Chemotherapeutika und variiert diese. Und wo passt in dieses Prozedere die Photodynamische Therapie hinein, die ja eine Kombination aus einer ärztliches Tätigkeit und eigentlich aus einer Physikeraufgabe ist, die auf die physikalische Lichtapplikation setzt? Da fehlt einfach das Verständnis der einzelnen Fachbereiche, wo die PDT anzusiedeln ist.
 

Das macht es wahrscheinlich auch schwierig, andere Kollegen für diese Methode zu gewinnen und sie davon zu überzeugen, sie sich selbst anzueignen?

Absolut. In den meisten Fällen sind es dann doch die chirurgischen Fachbereiche. Ich kenne durchaus auch onkologische Kliniken, die Photodynamische Therapie machen. Deswegen haben wir ja die interdisziplinären Tumorboards. Bei denen werden, und das ist auch ein sehr großer Fortschritt, inzwischen deutschlandweit alle Tumorpatienten im interdisziplinären Setting unter Beteiligung dieser ganzen Fachbereiche besprochen. Das verhindert, dass eben nicht der Patient, der zufällig an den Chirurg gerät, auch immer operiert wird, sondern der besten Therapieform zugeführt wird.
 

Wo sehen Sie die Zukunft der PDT?

Was unbedingt geschehen muss und was bedauerlicherweise bisher nicht in einem adäquaten Rahmen geschehen ist, sind letztendlich große Studien. Multizentrische, am besten auch randomisierte Studien, mit denen die Wirksamkeit auch im Vergleich zu anderen Therapieverfahren besser abgeschätzt werden kann. Es mangelt in der PDT an sinnvollen Studien. Es gibt natürlich einige Indikationsgebiete, bei denen es Studien gibt, bspw. in der Dermatologie bei der Behandlung von aktinischen Keratosen, in der Ophthalmologie, also der Augenheilkunde, bei der Behandlung der feuchten Form der Makuladegeneration... bei solchen Dingen liegen gute Studien vor, in unserem Bereich eher wenig.
 

Das ist wahrscheinlich eine Frage der Finanzierung.

Das ist absolut richtig. Man müsste die Firmen, die die zugelassenen Photosensibilisatoren auf dem Markt haben, überzeugen, dass größere Studien letztendlich auch zu einer weiteren Verbreitung des Verfahrens und zu einer weiteren Verbreitung des Interesses in der Bevölkerung führen würden. Wir haben jetzt hier zum Glück gerade eine Studie starten können. Und zwar geht es da um eine palliative Therapieform gesponsort von einer Firma, die ein Verfahren auf den Markt gebracht hat, dass sich PCI nennt, Photochemische Internalisation. Das ist eine Kombination aus Chemotherapie und Photodynamischer Therapie, so dass beide Substanzen, ein Photosensibilisator und ein Chemotherapeutikum, in Kombination verabreicht werden, und erst durch die Lichtapplikation wird das Chemotherapeutikum in der Zelle wirksam – also nur dort, wo bestrahlt wird. Hier ist jetzt nach einer erfolgreichen Phase-I-Studie in London die Phase-II-Studie begonnen worden, wo mitunter mit München, also meinem Haus, und Heidelberg deutsche Zentren vertreten sind. Europaweit gibt es aber noch einige andere Zentren. Das ist sicherlich eine sehr interessante Therapieoption.
 

Wir bedanken uns herzlich für das Interview.

Interview mit Prof. Dr. Jörg Schirra, München

Prof. Dr. med. Jörg Schirra ist Leitender Oberarzt in der Endoskopie des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Großhadern. Die Initiative „Licht gegen Krebs“ fragte ihn nach seinen Erfahrungen mit der Photodynamischen Therapie.
 

Seit wann behandeln Sie mit PDT?

Seit ich 2001 ans LMU gekommen bin. Hier wird schon seit Ende der 1990er mit PDT gearbeitet. Vorher war mir diese Behandlungsmethode noch nicht bekannt, aber ich war sofort fasziniert.
 

Was schätzen Sie besonders?

Die Einfachheit. Und die fehlende Toxizität, gerade im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden von Krebs. Das ist gerade in palliativen Situationen entscheidend.
 

Hat die PDT auch Nachteile?

Die Lichtempfindlichkeit. Bei den früheren Photosensitizer betrug sie bis zu drei Monaten. Doch es gibt nun eine neue Generation der Photosensitizer, bei denen die Lichtempfindlichkeit wesentlich kürzer anhält. Nach 8-10 Tagen können die Patienten das Krankenhaus verlassen, und nach nur 4 Wochen ist keinerlei Lichtempfindlichkeit mehr vorhanden. Das ist großartig, gerade in palliativen Situationen.
 

Welche Krebsarten behandeln Sie mit PDT?

Gallenwegskarzinome.
 

Auf welchem Weg kommen die Patienten zu Ihnen?

Die Hälfte kommt hier aus der Region, wir haben ein großes Leberzentrum an der Uniklinik München. Die andere Hälfte wird uns zugewiesen – ausschließlich wegen der PDT.
 

Wie reagieren Ihre Patienten auf die Methode?

Zuerst skeptisch. Die Meisten hören hier zum ersten Mal von der PDT. Besonders irritierend empfinden viele die Lichtempfindlichkeit und haben natürlich auch Angst. Aber wir informieren unsere Patienten intensiv im persönlichen Gespräch und mit ausführlichen Broschüren. Die Betreuung ist hier sehr wichtig. Unsere Patienten erhalten einen Zeitplan, wann sie sich in welcher Intensität wieder dem Licht exponieren dürfen. Da fühlen sich unsere Patienten schon sehr erleichtert.
 

Wo sehen Sie die PDT im Spektrum der Krebsbehandlungen?

Die PDT hat eine perfekte Nische gefunden, auch bei Blasenkarzinomen, HNO-Karzinomen etc. Somit können wir auch etwas für Patienten tun, bei denen die Standardtherapien keine Lösung sind. Die PDT hat ganz klar eine Lücke geschlossen.
 

Wird die Behandlung denn von den Krankenkassen bezahlt?

Die Krankenkassen haben dafür finanzielle Mittel, die die Kosten der PDT-Behandlung decken. Das geschieht im Rahmen der DRG (Diagnosis Related Groups). Unsere Patienten müssen sich also keine finanziellen Sorgen machen.
 

Haben Sie den Eindruck, dass Patienten besser informiert sind als früher?

Ja, absolut. Und das finde ich toll. Sobald sie vom Arzt etwas über PDT hören, recherchieren sie auch selbst.
 

Wie empfinden Ihre Patienten die Behandlung?

Ich würde sagen, 80 Prozent sind sehr zufrieden. Nach circa 8 bis 10 Tagen können unsere Patienten das Krankenhaus verlassen. Am ersten Tag können allerdings Bauchschmerzen auftreten. Vor allem sehr alte Patienten klagen darüber. Es ist sehr wichtig, Patienten darauf vorzubereiten und ihnen die Möglichkeit des Auftretens von Schmerzen mitzuteilen, damit es keine bösen Überraschungen gibt.
 

Bleibt es bei einer einmaligen Behandlung?

Neben der PDT setzen wir Stents in den Gallengang, und alle 2-3 Monate kommen unsere Patienten zu einer Spiegelung der Gallenwege, um die Stents auszutauschen. Nach einem halben bis dreiviertel Jahr empfehlen wir unseren Palliativpatienten auch, die PDT eventuell zu wiederholen.
 

Die PDT – eine Erfolgsgeschichte?

Ja. Sie verdoppelt die Überlebenszeit.
 

Vielen Dank für das Interview!